Aufgenommen im April 2014
Das Schloss Kamenz liegt oberhalb der kleinen niederschlesischen Kreisstadt Kamieniec Ząbkowicki (Kamenz, Camenz) auf dem Harthaberg. Auf Initiative der niederländischen Prinzessin Marianne wurde es nach Schinkels Plänen von 1838-73 errichtet. Es ist der größte und aufwändigste Bau, der je nach seinen Entwürfen ausgeführt wurde. In ihm versuchte er, seine Visionen von einer "Königlichen Idealresidenz" zu verwirklichen.
Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau (09. Mai 1810 - 29. Mai 1883) ist eine Tochter des Prinzen Wilhelm VI. von Oranien (später König Wilhelm I. der Niederlande) und der Schwester des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., Frederike Luise Wilhelmine von Preußen. Seit 1810 war sie mit Prinz Albrecht von Preußen verheiratet, von dem sie sich 1849 wieder scheiden ließ.
Die ehemalige Stiftsherrschaft Kamenz mit dem dazugehörigen Kloster war schon seit 1812 im Besitz der Familie. Nach dem Tod der Mutter im Oktober 1837, ging das Erbe in den Besitz Prinzessin Mariannes über.
Als sie zum ersten mal Kamenz besuchte, war sie von der landschaftlichen Schönheit so sehr beeindruckt, das sie schon bald plante, ein Landschloss für die Albrechtlinie des Hauses Hohenzollern errichten zu lassen.
Einen ersten Vorentwurf in den Formen der italienischen Renaissance zeichnete Schinkel, ohne die landschaftlichen Gegebenheiten genau zu kennen. Auf Einladung der Prinzessin besuchte Schinkel im April 1838 den Bauplatz und fertigte darauf hin einen zweiten Entwurf in neugotischen Formen an. Auf dem Blatt ist eine perspektivische Ansicht und der Grundriss zu sehen, der nahezu vom 1. Entwurf übernommen wurde. Nach Rücksprache mit der Prinzessin Marianne wurde dieser Entwurf zur Ausführung bestimmt.
Da Schinkel zu dieser Zeit sehr beschäftigt war und sich außerdem schon seine schwere Krankheit abzeichnete, der er 3 Jahre später erlag, wurde der junge Baumeister Ferdinand Martius (1811-1889) als Bauleiter berufen. Er war verantwortlich für die detaillierte Ausarbeitung der Pläne, die Schinkel alle mit einem Sichtvermerk genehmigte.
Die feierliche Grundsteinlegung fand mit Prinz Albrecht und Prinzessin Marianne im Beisein Schinkels und Martius am 15. Oktober 1838 statt. Regelmäßig wurde Schinkel über den Baufortgang unterrichtet. Auch wurde immer wieder über Änderungswünsche der Prinzessin verhandelt. Bis zu seinem Tode im Oktober 1841 stand er Martius mit seinem Rat zur Seite. Als Schinkel starb, waren die Außenwände fast gänzlich fertiggestellt. Martius war von nun an auf sich gestellt. Fast seine ganze Schaffenskraft stellte er in die Fertigstellung des Baues, der erst 1873 mit den Arbeiten an den Außenanlagen seinen Abschluss fand.
Der Bau ist eine vierflügelige Schlossanlage von 88 Meter Breite, 61 Meter Tiefe und hat eine Höhe bis zum Hauptgesims von 25 Metern. An den Ecken befinden sich zinnenbekrönte Rundtürme. Die Mittelrisalite an den Langseiten werden von kleinen Türmchen flankiert. Der Bau wird gegliedert von hohen spitzbogigen Nischen, in denen die Fenster der 4 Etagen sitzen. Vor der talseitigen Hauptfassade befindet sich eine zweischiffige offene Säulenhalle, die sogenannte "Unterfahrt", die für den oberhalb liegenden großen Saal eine Terrasse bildet.
Der rechteckige Innenhof ist von einer mehrgeschossigen Galerie umgeben. Die Fassaden bestehen aus glasierten Ziegeln, Sandstein und Glimmerschiefer.
Das Schloss ist auf allen Seiten von einer Mauer umgeben. An den Langseiten ist sie durch Spitzbögen durchbrochen. An den Schmalseiten der Mauer befinden sich Wirtschaftsbauten, Marstall und die Remise.
Im Inneren des Schlosses ist jeder Raum überwölbt. Für die innere Ausgestaltung war hauptsächlich Martius verantwortlich.
Die Gartenanlagen entstanden nach einem Plan von Peter Joseph Lenné (1789-1866), der Schloss Kamenz 1858 einen Besuch abstattete.
Die Gesamtkosten für den Bau beliefen sich bei Fertigstellung im Jahre 1873 auf die stolze Summe von 971 692 Talern.
Den Krieg überstand das Schloss unbeschadet. Doch 1945 wurde es von der Roten Armee geplündert und in Brand gesteckt. Die Ruine wurde dem Verfall preisgegeben. 1985 pachtete ein Dozent der Technischen Hochschule in Poznań (Posen) das Schloss und nahm erste Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen vor. Seit 2012 wird es von der Gemeinde Kamieniec Ząbkowicki verwaltet, die in weitere Restaurierungsarbeiten an Schloss und Park investiert.
Das Schloss kann besichtigt werden, auch eine deutschsprachige Führung wird angeboten.
(Quelle: Andreas Bernhard; Gert Streit: Karl Friedrich Schinkel, Führer zu seinen Bauten, Band2
Günther Grundmann; Schinkel Lebenswerk, Band Schlesien)