Aufgenommen im März 2013
Seit 1742 befand sich die schlesische Stadt Polkwitz (1937-45 Heerwegen) unter preußischer Herrschaft und ist heute Kreisstadt im Powiat Polkowicki in der Woiwodschaft Niederschlesien.
Bereits seit 1741 war evangelischer Gottesdienst öffentlich erlaubt, so das neben dem Rathaus eine erste Fachwerkkirche ohne Turm errichtet wurde. 1825 erhielt die evangelische Gemeinde eine Geldsumme vermacht, um ein Glockengeläut anzuschaffen. Da die Kosten zur Errichtung eines Turms die Möglichkeiten der Gemeinde überstiegen, wurde um ein königliches Gnadengeschenk gebeten. Einen ersten Entwurf fertigte der Stadtzimmermeister Zschau an, der von der Liegnitzer Regierung verworfen wurde. Auf ihr Geheiß setzte sich darauf hin die Gemeinde mit dem Glogauer Bauinspektor Lindhorst in Verbindung, um einen neuen Plan zur Errichtung eines Kirchturms auszuarbeiten. Dieser wurde am 22. Januar in der Berliner Oberbaudeputation (OBD) bearbeitet. Im dazugehörigen Gutachten wurde die Kuppelform beanstandet. Stattdessen wurde eine hohe schlanke Spitze favirisiert. Das Turmobergeschoß sollte mit einem Eisengitter umgeben sein, aus deren Mitte die Spitze emporsteigt. Die Proportionen des Turmes wurden ins rechte Verhältnis gerückt.
Da die Gemeinde um ein Gnadengeschenk bat, wies Schinkel im selben Gutachten darauf hin, das die Kosten gesenkt würden, wenn die Glocken im Dachstuhl hinter einem hochgezogenen Giebel mit Schallöffnungen untergebracht werden. Dies lehnte die Gemeinde ab und vergab den Auftrag zur Ausarbeitung der Pläne zum Turmbau nach den Angaben Schinkels wiederum an den Bauinspektor Lindhorst. Nach erneuter Revision dieser Pläne in der OBD wurde am 29. Januar 1829 der Beginn der Bauarbeiten zur Errichtung des Turmes von der Liegnitzer Regierung angeordnet. Auf quadratischem Grundriss erhebt sich an der Stirnseite des Kirchenbaus ein dreigeschossiger Turm mit Spitzhelm. Die Fenster sind im Rundbogenstil gehalten, Gesimsbänder gliedern den Bau.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden Neubausiedlungen ausserhalb der Stadt errichtet, während die Altstadt zusehends verfiel. Erst nach der politischen Wende in Polen wurde der alte Stadtkern in Anlehnung der ursprünglichen Bebauung wieder neu aufgebaut. Dabei kann aber nicht von Rekonstruktion gesprochen werden, da die Gebäude nicht nach den Kriterien des Denkmalschutzes errichtet wurden, sondern sich die Bebauung nur lose an der damaligen Architektur orientiert. In diesem Licht ist auch die Wiederherstellung der ehemaligen evangelischen Kirche zu sehen. Sie wurde vereinfacht, aber geschmackvoll wieder aufgebaut. Nur die Schinkelschen Proportionen blieben erhalten. Das Innere wurde modern, aber hell und freundlich gestaltet. Gut fügt sich die Kirche in das wiedererstandene Ensemble mit Rathaus, Rathausplatz und der Marktbebauung ein.
(Quelle: Günther Grundmann: Karl Friedrich Schinkel Lebenswerk; Band Schlesien;
Gregor Laskowski: Schlesien heute;
Ulrich Hutter-Wolandt: Karl Friedrich Schinkel und der evangelische Kirchenbau unter besonderer Berücksichtigung Schlesiens-Vortrag beim deutsch-polnischen Symposion in der Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund, Bonn 11.-15 April 1994)